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Wila - früher und heute

Aus Wilas Vergangenheit

Politik: Kirche, Landenberger und Zürich
Für Wila ist eine frühmittelalterliche Holzkirche aus der Zeit um 700 bezeugt. Im Rahmen der Landnahme germanischer Stämme entstand das Dorf um den Kirchenhügel, und die Christianisierung geschah durch Mönche von St. Gallen her. Erstmals urkundlich verzeichnet findet man den Namen der Gemeinde Wila 1275 in einem Steuerrodel des Bistums Konstanz. 1288 wurde die Wallfahrtskapelle Wila erstmals auf einer in Rom angefertigten Pergamenturkunde erwähnt. Eine fast 21 Meter lange und 19 Zentimeter breite Pergamentrolle mit den Zeugenaussagen eines Prozesses berichtet von einem langen Streit im Jahre 1383 um die Frage, ob die Galluskirche in Turbenthal oder die Marienkirche in Wila die Mutterkirche sei. Der Entscheid des bischöflichen Gerichts musste zu Ungunsten von Wila ausgefallen sein, denn in der Folge wurde Turbenthal als Sitz der Mutterkirche erklärt. Die Kirchgemeinde Wila konnte sich 1466 von Turbenthal lösen und besass nun wieder eine selbstständige Pfarrkirche. Bis 1706 gehörte fast das ganze Gebiet der Gemeinde Sternenberg (heute ein Ortsteil der Gemeinde Bauma) zu Wila.

Die Herrschaft übten ab dem Hochmittelalter die Landenberger aus, deren Wappen auch das heutige Gemeindewappen von Wila ist. Die Landenberger besassen im Tösstal drei Burgen - Alt-, Breiten- und Hohenlandenberg – und hatten weit in den heutigen Thurgau hinaus grossen Einfluss. Auf dem Gebiet der Gemeinde Wila lag die Burg Hohenlandenberg, die allerdings schon 1344 zerstört wurde, weil deren Besitzer, Beringer II., bekannt war für seine kriegerische Art und weil er auch Falschmünzerei betrieb. Aus einer Nebenlinie der Hohenlandenberger im Schloss Hegi in Winterthur stammte Hugo IV. von Hohenlandenberg, der während der Reformationszeit Bischof von Konstanz war. Heute ist die Burgstelle ein beliebtes Wanderziel und gehört dem Verkehrsverein, der auf dem vom Talgrund hinaufführenden Guyer-Zeller-Weg erreicht werden kann. 

Seit der Reformation um 1530 herrschte die Stadt Zürich zusammen mit der reformierten Kirche bis um 1830 im Kanton. Die Pfarrer stammten meist aus der Stadt Zürich, vertraten im Dorf Wila die Regierung und verbanden das Seelenheil mit strengen Sitten-Vorschriften (Mandaten) für die Landbevölkerung. Fehlbare wurden im obligatorischen Gottesdienst unter der Kanzel «abgekanzelt». Der «Stillstand» (seit 1860 die Kirchenpflege ohne politische Befugnis) blieb nach dem Gottesdienst noch «stehen» und regelte als lokale Regierungsbehörde meist unter der Leitung des Pfarrers alle zivilrechtlichen und kleinere strafrechtliche Fragen. Auch die Armenpflege und das Hebammenwesen besorgten sie, und «Ehegaumer» im Stillstand kontrollierten das sittliche Verhalten der Bevölkerung – allerdings ohne Erfolg. Ganz im reformatorischen Sinn der persönlichen Bibellektüre kontrollierte die Kirche auch die Schulen, in welchen 300 Jahre lang Bibellesen, Psalmensingen, Auswendiglernen des Katechismus und für Knaben das Unterschreiben vermittelt wurde – von Laien im Nebenamt. Erst mit der neuen Kantonsverfassung 1831 erhielt die Zürcher Landschaft mehr Rechte, moderne Bildung mit ausgebildeten Lehrern und moderne Verkehrswege.

Bevölkerung
Die Bevölkerung betrieb in der Neuzeit vornehmlich Kleingewerbe und Ackerbau. Das im Vergleich zum Zürcher Unterland rauhe Klima, die hügelige Topographie, die bescheidene Bildung, schlechte Verkehrswege und deshalb relative Abgeschiedenheit führten dazu, dass die Menschen mit wenigen Ausnahmen lange arm blieben und wie im ganzen Zürcher Oberland auch religiösen Sondergruppen Platz boten. Textile Heimarbeit liess sich mit kleinbäuerlichem Nebenverdienst kombinieren, der meiste Gewinn – der im Handel – blieb aber in der Stadt Zürich. In Wila florierte das Korbmachergewerbe, und wandernde Verkäufer boten unter anderem Holzbesteck an – Wila war also ein Teil des «Kellenlandes». Strenger Bibelglaube und Obrigkeitsdenken waren die Norm, gegen welche oft genug verstossen wurde. Lokale Bräuche gaben Halt. Dies änderte sich im 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung das soziale und wirtschaftliche Gefüge veränderte – in Wila allerdings nicht sehr stark. Wichtiger waren die neuen Selbsthilfe- und Selbstverwaltungsformen wie Zivilgemeinden (bis zum Ersten Weltkrieg), Schulgemeinden, Vereine, Genossenschaften, politische Gruppierungen und die moderne Bildung. Vereine organisierten Feste, Reisen und die eigene Unterhaltung, die landwirtschaftliche Genossenschaft steuerte ihre Warenströme zusammen mit dem Volg Winterthur selber. Wohnte früher nur etwa ein Drittel der Wilemer Bevölkerung im Tal und der Rest in den Hügeln, ist es heute umgekehrt.
Heute ist die Bevölkerung sehr mobil und pflegt beides: Ortsverbundenheit und Offenheit nach aussen. 

Schulen
Die Volksschule war anfänglich sehr dezentral dort, wo die Bevölkerung lebte. Zum ersten Mal erwähnt wurde eine Schule in Wila 1569. Bis 1649 war die Schulstube in irgendeinem Bauernhaus. In diesem Jahr bekam die Schule im Dorf neben der Schmiede unterhalb des Kirchenhügels ein eigenes Haus. 1822 erbaute man im Rouss ein einstöckiges, hölzernes Haus mit Schulstube, zwei kleinen Kammern und Küche. Die Kinder des Steinenbachtals gingen anfangs des 19. Jahrhunderts nach Kellersacker zur Schule, bis 1823 beim Hinterauli auch ein Schulhäuschen errichtet wurde. Die Kinder von Tablat (Gemeinde Turbenthal) waren bis 1782 in Wila schulpflichtig, dann erhielt auch dieser Ort ein Schulhäuschen. Diese Schulen waren alle keine Ganzjahresschulen, sie dauerten nie mehr als zwanzig Wochen im Jahr. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein versahen im Dorf fast ausschliesslich Dorfbürger den Schuldienst. Der erste pädagogisch und methodisch gebildete Lehrer war Heinrich Rüegg von Vordereich. Er unterrichtete von 1838 bis 1882 und war gleichzeitig Dirigent des Männerchors Wila (1845-2022). Nicht nur die Kinder, auch deren Eltern sollten zur Gemeinschaft erzogen werden. Nach beinahe zweihundert Jahren war das Schulhaus im Dorf baufällig und zu klein geworden. Man brach das alte ab und baute 1842 auf der gleichen Stelle ein neues Schulhaus. Die Schulgenossenschaft Talgarten baute 1866 ein eigenes Schulhaus und 1892 errichtete die Schulgemeinde Huben ein Schulhaus im Schuppis. 

Die Sekundarschule entstand spät: Von 1835 bis 1892 besuchten die Kinder von Wila die 1835 neu entstandene Sekundarschule in Turbenthal. 1892 gründeten die Schulgemeinden Wila, Talgarten, Huben, Schmidrüti, Kohlwies und Schalchen einen eigenen Sekundarschulkreis. Unterrichtet wurde zunächst in einem Haus an der Kreuzstrasse. 1896 fand dann die feierliche Eröffnung eines neuen Schulhauses an der heutigen Stationsstrasse statt. Im untern Stock zogen nun die sechsklassige Primarschule und die dreiklassige Sekundarschule ein, das Zimmer im Mittelbau des oberen Stockes bezog die Arbeitsschule. 1911 war die Zahl der Primarschüler so stark gewachsen, dass die Primarschule eine Unter- und eine Mittelstufe bildete und deshalb das Mietverhältnis mit der Sekundarschule auflöste. Die Sekundarschule kehrte ins Haus an der Kreuzstrasse zurück, das gekauft und 1923 renoviert wurde. Die Oberstufenreform von 1966 brachte eine Dreiteilung für das 7.-9. Schuljahr in Sekundarschule, Realschule und Oberschule, dies konnte im 1965 eröffneten neuen Oberstufenschulhaus in der Schweissrüti verwirklicht werden. 1981 wurde es erweitert. 1977 zog die Primarschule von der Stationsstrasse ins neue Primarschulhaus Eichhalde, wo auch der Kindergarten ein Zimmer zur Verfügung hatte, bis 1992 nebenan in der Büelwis ein neuer Doppelkindergarten gebaut wurde. Die Eichhalde ist eine intensiv genutzte Mehrzweckanlage mit Gemeindesaal, Kindergarten, Bibliothek und Turnhalle. Da sich der Schwerpunkt der Bevölkerung ins Tal verlagert hatte, wurden die Gesamtschulen im Schuppis (1968) und Talgarten (2011) geschlossen.

Kultur
Die Schriftstellerin Olga Meyer (1889-1972) schilderte in ihrem Jugendbuch «Sabinli» (1950) das Leben eines Landmädchens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Viele Inhalte sind dem wirklichen Leben der damaligen Korbmachertochter Seline Lüssi-Gubler (1876-1952) nachempfunden. Im «Sabinli» lesen wir von den Verkehrswegen im 19. Jahrhundert, vom Bau der Tösstalbahn, von Heimarbeit, von einer Hochzeitsgesellschaft, die mit ihrem Break beim Durchqueren der Töss ins Wasser kippte, wobei die mitgenommenen Würste flussabwärts schwammen. An «Sabinli» erinnert in unserer Gemeinde der Brunnen auf dem Pausenplatz vor dem Oberstufenschulhaus mit der «Sabinli»-Figur. 
Für die Kultur setzen sich in Wila unter anderem der Verkehrsverein mit seinen Häusertafeln, der Windenmacherverein mit seinen Schmiede-Events und das Ortsmuseum mit seinen Ausstellungen und Publikationen ein.

Verkehr
Es ist heute kaum mehr vorstellbar, dass eine durchgehende Talstrasse erst zwischen 1830 und 1840 gebaut worden ist und vorher bis Winterthur keine einzige befahrbare Tössbrücke existierte. Sämtlicher Wagenverkehr musste entweder beschwerliche Wege auf den oft steilen Strassen über die beidseitigen Hügelketten suchen oder das Tössbett benutzen. In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts erlebten die Bewohner des Tösstales schwere Zeiten, denn die ehemals florierende Heimindustrie wurde stark von den aufkommenden Fabriken be- und verdrängt. Bessere Verkehrswege bildeten eine erste Voraussetzung, wieder Verdienstmöglichkeiten ins Land zu bringen. Unter erheblichen finanziellen Opfern der Tösstalgemeinden, der Stadt Winterthur und privater Geldgeber realisierten rührige Pioniere den Bau der Tösstalbahn, welche am 4. Mai 1875 von Winterthur bis Bauma den Betrieb aufnehmen konnte und in den vielen Jahrzehnten einen gewichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Erschliessung des Tales leistete. Im Juni 1876 beschädigte ein katastrophales Hochwasser die Bahnanlagen schwer und zerstörte die Linie an dreizehn Stellen mit einer Gesamtlänge von über zwei Kilometern. Finanzielle Schwierigkeiten führten dazu, dass die ursprünglich selbstständige Tösstalbahn-Gesellschaft per 1. Januar 1918 an die SBB überging.

Die Gemeinde ist jetzt mit S-Bahn und Postautolinien ans öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. So sind Winterthur und Rüti im Halbstundentakt erreichbar. Zu den Hauptverkehrszeiten besteht zusätzlich eine direkte Zugsverbindung nach Zürich.

Weniger schön ist heute der wachsende Durchgangsverkehr auf der Tösstalstrasse. Im Rahmen einer Sanierung der Hauptstrasse trug der Kanton diesem Problem Rechnung und gestaltete den Strassenraum nach modernen Sicherheitsaspekten mit Eingangspforten und Inseln. Der Gemeinderat hat ein Verkehrskonzept ausgearbeitet, nach dem er sich bei Bauvorhaben und Sanierungen richtet.

Gewerbe
Während im übrigen Tösstal die Textilindustrie zumeist die Töss als Wasserkraft nutzte und sich vorwiegend dem Flusslauf entlang ansiedelte, mussten sich in Wila angehende Fabrikanten auf Seitenbäche beschränken und das kostbare Nass in weit verzweigten Kanalsystemen an den Hängen des Tales sammeln. Übrig geblieben sind davon lediglich noch einige Stauweiher, welche heute teilweise wieder instand gestellt sind und viel zur Bereicherung der Landschaft beitragen. Die früher dominierenden Textilbetriebe wie die Seidenweberei Rosenberg oder die Jacquardweberei Haeberlin haben seit langem ihre Produktion eingestellt. Auch die Korbwarenfabrik, welche früher viele Korbflechter in Heimarbeit beschäftigte, gibt es nicht mehr. In der Nachkriegszeit war bis in die 90er-Jahre die Werkzeug- und Apparatefabrik Bosshard der wichtigste Arbeitgeber der Gemeinde. Heute haben sich in ihren Gebäuden verschiedene KMU eingemietet. Auch die beiden grossen Baugeschäfte haben vor einigen Jahren ihre Tätigkeit in Wila eingestellt. Das früher vorherrschende Bauerngewerbe ist heute auf wenige Betriebe konzentriert. Die 1870 gegründete Landwirtschaftliche Genossenschaft Wila fusionierte 1968 mit derjenigen von Turbenthal und betreibt heute neben zwei Tankstellen und einem Landi-Laden in Turbenthal den einzigen Detailhandelsladen in Wila, den Volg.
Die grössten Arbeitgeber sind heute neben der Landi Wila-Turbenthal eine Sägerei, eine expandierende Schreinerei und Metallwerkstätten. In jüngerer Zeit siedelten sich zudem viele neue Gewerbe des Maschinenbaus, der Autobranche, Mechanik, Sprengtechnik, Steuerungstechnik und ein florierendes Brockenhaus an. Das zahlreiche und vielfältige Gewerbe macht Wila zu einem attraktiven Arbeitsort.

Wila heute
Gesamthaft gesehen ist Wila eine Gemeinde, in der es sich gut leben lässt – was man eigentlich nicht weitersagen sollte. Ein zunehmender Siedlungsdruck aus der Agglomeration Winterthur und aus dem Zürcher Oberland führte Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre zu einem eigentlichen Bau-Schub; doch hat die Gemeinde mit relativ engen Bauzonen einer Expansion Grenzen gesetzt. 
Nebst der Sanierung der in die Jahre gekommenen Wasser- und Abwasseranlagen ist der Hochwasserschutz eine der grössten (finanziellen) Aufgaben der nächsten Jahre. Es gilt mit den nötigen baulichen Massnahmen die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen und das Siedlungsgebiet sicher zu machen.
Seit 2022 besitzt Wila ein neues Zentrum, in welchem Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Essen und Trinken, Gesundheitspflege und Kultur vereint angeboten werden. 
Immer wieder ein Thema ist die Zusammenlegung von Gemeinden. Wila ist mit seinen rund 2000 Einwohnern zwar nicht in Zugszwang, viele Aufgaben wie Altersheime, Spitex, Feuerwehr, Zivilschutz, Betreibungsamt, Bauamt, Schwimmbad, Sozialdienst, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung etc. werden heute schon im Verbund mit andern Gemeinden in der Region organisiert.